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Bergstetten



Ein Ort mit wechselvoller Geschichte

Fährt man auf der Bundesstraße von Monheim kommend in Richtung Donauwörth, so besticht rechts auf der Jurahöhe der Anblick eines überraschend großen Gebäudes und die Silhouette einer Kirche mit einem eher grazilen Turm. Nur selten “verirrt“ sich ein Reisender aufgrund dieses Anblickes nach Bergstetten und nicht wenige Bewohner aus dem Umkreis kennen den Ort als ehemaliges Klostergut des Reichsstiftes Kaisheim.

Urkunde von 1156Die erste dokumentierte Erwähnung des Ortes erfolgte bereits 1137, da Bergstetten als Lehen des Eichstätter Bischofs von Baierfeld an das Zisterzienserkloster Kaisheim kam. Zu Beginn diente das Klostergut der Schafzucht und entwickelte sich mit der Zeit zu einem Schweizerhof. Aufgrund der exponierten Lage kam es wiederholt zu Überfällen plündernder Gruppen, was letztlich den Bau einer wehrhaften und geschlossenen Anlage notwendig machte. Welches Ausmaß die Schafzucht annahm, ersieht man daran, dass Bayernherzog Ludwig der Gebartete im Handstreich 3000 Schafe raubte, als das Kloster ihm eine Abgabe in Höhe von 4000 Gulden verweigerte.

Die Chronik berichtet 1659 von der Renovierung einer St. Wendelinskapelle mit neuem Altar und einer Brandkatastrophe als Folge eines Blitzschlages im Jahr 1668, bei dem großer Schaden angerichtet wurde. Der Geschichte Monheims ist zu entnehmen, dass die Bewohner aufgrund der großen Opfer einer Viehseuche im Jahre 1712 einen Bittgang zum Hl. Wendelin, dem Schutzpatron der Landleute und des Viehs, nach Bergstetten machten, worauf die Seuche erlosch.

Der Wiederaufbau der Gebäude in der heutigen Form als geschlossenes Karree mit zwei großen Toren erfolgte vermutlich am Ende des 17.Jahrhunderts. Von der alten Lindenallee kommend betritt man durch das Osttor einen quadratischen lnnenhof mit dem “Schloss“ und der Kirche auf der gegenüberliegenden Seite. An einen überdachten Wehrgang mit Rundbogenarkaden als Unterbau schließen sich die ehemalige Pächter bzw. Veterinärswohnung und Stallungen an. Die gebräuchliche Bezeichnung “Schloss“ leitet sich vermutlich aus dem repräsentativen Baustil des Gebäudes mit abgesetztem Walmdach sowie Stuckdecken und einem außergewöhnlichen Treppenaufgang im lnneren ab.

Das genaue Baujahr der Kirche liegt allerdings im Dunklen. Die Ähnlichkeit der Anlage so wie wesentliche Elemente des barocken Stuckes mit der Schlosskirche in Leitheim lassen auf den gleichen Baumeister (Moosbrugger) schließen. Nachweislich ist das Jahr 1737 auf einer Glocke aus der Gießerei lngolstadt mit dem Wappen des Auftragsgebers Abt Rogerius Friesl (1723-1739), die 1923 im Austausch mit einer kleineren Glocke von Bergstetten nach Unterbuch kam. Eine Steintafel mit der Inschrift “CAZK“ (= Cölestin Abt zu Kaisheim) an der Stallungsaußenwand neben der Kirche deutet auf eine Renovierung der Klosteranlage während der Regierungszeit 1739-1771 dieses Abtes hin. Medaillions mit den Jahreszahlen 1753 (Osttor) und 1754 (Westtor) zeugen von umfassenden baulichen Tätigkeiten.

Die Folgen der Säkularisation 1802/03 mit der Aufhebung des Zisterzienserklosters Kaisheim betrafen auch das Klostergut Bergstetten. Die Innenausstattung der Kirche (prächtige Kanzel, Kreuzigungsgruppe und diverse Figuren) erhielt die Pfarrkirche von Baierfeld. Die Seitenaltäre kamen nach Spalt. Bis zur Übernahme des Gutes durch das bayerische Königshaus 1816 wurden lediglich die Ländereien verpachtet das Schloss und die entweihte Kirche blieben ungenutzt.

Adam Albrecht
Im Jahre 1820 wurde der Maler Albrecht Adam (1786 Nördlingen - 1862 München) hier in Bergstetten zu der Kreidelithographie "Junge Stuten im königl. baier. Gestüte zu Bergstetten." inspiriert.


Prinzregent Luitpold Unter der Regentschaft der Wittelsbacher wurde das “Königlich Bayerische Hofgestüt“ gegründet, welches der damalige Prinzregent Luitpold wiederholt besuchte. Für das Hofgestüt eignete sich die profanierte Kirche nur als Lager, Gerätehalle und Pferdestall. Dazu erfolgte der Einbau einer Zwischendecke sowie eines großen Eingangstores auf der Hofinnenseite.



Franzosenbrunnen
Während des 1. Weltkrieges (1914/1918) mussten französische Kriegsgefangene, die im Abbruchstall interniert waren, eine Quelle zur Speisung des Schlossbrunnens fassen und Felddrainagen anlegen. Die im Südwesten Bergstettens gelegene baumbestandene Wasserstelle wird heute noch als “Franzosenbrunnen“ bezeichnet.


Eine neue Epoche begann für Bergstetten 1936 mit der Übernahme des Gutes durch die Wehrmacht des 3. Reiches als Remonteamt (Remonte = franz.: junges Militärpferd]. Neben grundlegender Umbauten der Stallungen, Erweiterung der lnfrastrukur (Bau der sog. Sommerställe Haferspeicher, großer Heustadel, Reithalle, Kläranlage] wurden für die Bediensteten, die meist aus der näheren Umgebung kamen, Reihenhäuser mit Siedlungscharakter erstellt. Für die Betreuung der Kleinen existierte ein Kindergarten in der sogenannten Kantine. Das ehemalige Klostergut Bergstetten wurde so mit zum Wohnort.

Bergstetten ca.1935

Postkarte Bergstetten

Gegen Ende des 2. Weltkrieges erlebte Bergstetten noch einmal turbulente Zeiten. Auf der Fahrt vom Neuhof (war ebenfalls Remonteamt) nach Bergstetten wurde am 20. Februar 1945 der damalige Leiter beider Ämter, Oberst von Oer, bei einem Tieffliegerangriff auf sein Fahrzeug tödlich verwundet.

Der im Jahre 1943 zum General beförderte Pettkó-Szandtner war auch Verantwortlicher für die gesamte ungarische Pferdezucht. Nachdem im Jahr 1944 große landwirtschaftliche Bestände im Zuge der Panzerschlachten durch die Rote Armee zu Grunde gingen, versuchte Pettkó-Szandtner den in Ungarn noch vorhandenen Zuchtpferdebestand vor den noch zu erwartenden Kampfhandlungen zu bewahren. Durch die persönlichen Beziehungen und Bekanntschaften in Deutschland war es ihm möglich einen Teil von ausgesuchten Zuchtpferden nach Deutschland zu verbringen. So konnten vier Güterzüge mit etwa 40 Waggons noch 1944 nach Bergstetten bei Donauwörth in das inzwischen leerstehendes Remontendepot an die 400 Pferde aus Bábolna transportieren. Die amerikanische Armee beschlagnahmte mit Kriegsende das ehemalige Wehrmachtsgut und evakuierte alle Bediensteten des Remonteamtes aus ihren Wohnungen.

Die Ungarn genossen bei den amerikanischen Siegesmächten zwar eine Art handlungsfreien Sonderstatus, konnten jedoch wegen vorheriger Kriegsteilnahme gegen Russland nicht mehr in ihr Land zurückkehren ohne Repressalien durch die russischen Besatzer zu befürchten. Das “Versilbern" des beweglichen ungarischen lnventars (Kutschen, Schlitten, aus Sattelleder wurden Schuhe gefertigt) gegen Naturalien milderte für Bergstetten die karge Zeit vor der Währungsreform. Ein Teil der Ungarn wanderte nach Amerika aus, der Rest integrierte sich durch Heirat in der Region. Mit dem Abzug der Amerikaner und dem Verschiffen der beschlagnahmten Pferde in die USA wurde ein weiteres Kapitel Bergstettens abgeschlossen.

Nach Rückgabe Bergstettens als Remonteamt durch die Amerikaner an die Bundesregierung wurde 1949 die Bayerische Landessiedlung beauftragt, die zwischenzeitlich in großer Zahl in Bergstetten angekommenen Heimatvertriebenen mit Wohnraum zu versorgen und in Form von Siedlerstellen die landwirtschaftlichen Flächen durch geeignete Pächter zu bewirtschaften. Der voranschreitende Wiederaufbau Deutschlands wirkte sich auch belebend für Bergstetten aus.

Die Familie Röllig gründete einen kleinen Betrieb zur Herstellung von Kunstblumen für Grabkränze und Schießbuden, was vor allem Frauen ein finanzielles Einkommen ermöglichte.

Nimrodwerke BergstettenDipl. lng. Albin Siegl, der bereits vor der Vertreibung aus dem Sudetenland (Kriegern bei Saaz) als Unternehmer tätig war, gründete eine Firma zur Herstellung von Luftgewehrmunition mit Sportwaffenhandel. Sein Sohn Walter Siegl erweiterte die Firma mit der Produktion von Tontauben und deren Wurfmaschinen für Sportschützen. In den Nimrodwerken wurden die Ausrüstungsgegenstände für komplette Schießanlagen gefertigt. Diese Artikel erfreuten sich zunehmender Beliebtheit und wurden auch international vertrieben. ln regelmäßigen Abständen erfolgten in Bergstetten Meisterschaftsschießen auf Tontauben, bei denen prominente Persönlichkeiten und die Schützenelite Europas wetteiferten. So waren die Nimrodwerke Bergstetten z.B. im Jahre 1968 offizieller Ausstatter der Olympiade in Mexico mit 2 Batterieständen mit je 15 Maschinen vom Typ Simplex 8 "C".
  Der steigende Bedarf an Fertiggaragen für Autos führte zur Erweiterung der Firma um den “Schwäbischen Garagenbau".

Als Einkaufsmöglichkeit für die Bewohner am Ort existierten zwei Gemischtwarengeschäfte (Berger und Kolatschny) sowie ein Gastwirtschaftsbetrieb in der ehemaligen Kantine, der nur am Wochenende zur Pflege der Geselligkeit geöffnet war.

Für mittlerweile 46 Schüler Bergstettens wurde 1951 im Schloss eine einklassige Schule eröffnet. Sie mussten bis dahin zu Fuß bzw. fuhren zum Teil mit einem von Pferden gezogenen Milchwagen zur Schule nach Buchdorf.

Veranlasst durch die guten Ergebnisse ihrer Arbeit und der getätigten lnvestititionen drängten die Siedlerbauern verstärkt auf einen Kauf der bewirtschafteten Flächen von der Bayerischen Landessiedlung. Diese machte eine Übereignung letztlich von einer Problemlösung der profanierten Kirche hinsichtlich Übernahme bzw. Verwendungszweck abhängig. Erst nach zähen Verhandlungen des Sulzdorfer Gemeinderates (Bergstetten gehörte seit der Säkularisation zur Gemeinde Sulzdorf) unter Leitung des Bürgermeisters Johann Probst war die Diözese Eichstätt nach anfänglichem Widerstand bereit, die Kirche zu übernehmen und einer Wiederverwendung als Gotteshaus zuzuführen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war sicherlich die feste Zusage des Bergstettener Gemeinderates Paul Pietsch als Wortführer derSiedler, einen überdurchschnittlichen und kostenlosen Anteil von Eigenleistung für die Wiederherstellung der Kirche zu erbringen. Mit Wirkung vom 1. April 1963 war das entweihte Gotteshaus somit wieder in kirchlichem Besitz dem Verkauf der Siedlerstellen stand somit nichts mehr im Weg. Rückwirkend zum 1. April 1962 wurden 11 Vollerwerbshöfe (2 im historischen Gutshof) mit je ca. 13 Hektar und 32 Nebenerwerbsstellen mit ca. 500 Quadratmetern Land verkauft und beurkundet.

Dank des großen Engagements von Paul Pietsch als “Motor“ und der vielen geleisteten freiwilligen Arbeitsstunden der Bergstettener Siedler zur Kirchensanierung konnte die Weihe der Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit am 17. Juni 1967 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung erfolgen. Herrn Pfarrer Michael Flock der betreuenden Pfarrei Buchdorf gebührt großer Dank, denn er beschaffte für die lnnenausstattung einen Altar aus Treuchtlingen, Kirchenbänke aus Wittesheim und stellte Figuren aus der Pfarrei zur Verfügung. Die Bergstettener Bürger selbst stifteten eine gefasste Schnitzfigur der heiligen Hedwig [Patronin der Heimatvertriebenen] und eine Glocke mit der Aufschrift “* Bergstetten * A. D. 1967, GLORlA lN EXCELSlS DEO“ (Ehre sei Gott in der Höhe), die bis zum heutigen Tag die Gläubigen zum Gebet ruft.

Bergstetten kam 1971 als Teil der politischen Gemeinde Sulzdorf zur Marktgemeinde Kaisheim und präsentiert sich heute als moderner Ortsteil mit bewegter historischer Vergangenheit. Die tragenden Vereine des Ortes sind die Freiwillige Feuerwehr und die Sportschützen. Diese bilden durch ihre ansprechenden Veranstaltungen die Basis für ein erfolgreiches Miteinander Darüber hinaus übernehmen engagierte Bürger in der “Spielplatzinitiative“ Verantwortung für einen mustergültgen Spielplatz zum Wohl unserer Kinder. Dazu kommen die vielfältigen Aktivitäten der Kirchengemeinde. All dies verleiht Bergstetten Lebensqualität und macht unsere Heimat zu einem lohnenden Ausflugsziel für lnteressierte.